Die Beziehungen zwischen Vers und Musik? Ich habe darüber nicht nachgedacht. Ich denke sehr wenig über Musik nach. Die Musiker und Dichter, die andauernd Musik und Dichtung im Munde führen, sind für mich genauso unausstehlich wie Sportler, die ständig vom Sport reden.
Und dann kann man ja die Wahrheit nicht sagen. Sie wollen sie wissen? Nun gut: Die Musiker, die nichts von Versen verstehen, sollten sie auch nicht in Musik setzen. Sie werden sie nur verderben.
Wirklich schöne Verse – man soll nicht übertreiben – gibt es nicht so viele. Wer macht heute schon welche? Und wenn sich ein schöner Vers findet, rührt man besser nicht daran.
Und dann, sagen Sie mir, was nützen der Musik die Verse? Was? Es gibt mehr schöne Musik zu schlechten Versen als schlechte Musik auf wirklich schöne Verse. Gute Verse haben ihren eigenen Rhythmus, der uns viel zu sehr behindert. Halt, da habe ich doch letzthin, ich weiß nicht warum, drei Ballade von Villon vertont… Doch, ich weiß warum: Weil ich schon lange Lust dazu hatte. Nun, es ist sehr schwierig, dem Text zu folgen, den Versrhythmus zu umkleiden und dabei auf Atmung zu achten. Wenn man Fabrikware macht, wenn man sich mit dem Nebeneinanderlaufen von Musik und Dichtung zufriedengibt, dann ist es natürlich nicht schwer, aber dann verlohnt es sich auch nicht. Die klassischen Verse haben ein eigenes Leben, eine “innere Dynamik”, wie die Deutschen sagen, die ganz und gar nicht unsere ist.
Mit der rhythmischen Prosa hat man es leichter, hier gibt es mehr Freiheit nach allen Seiten. Und wen der Musiker sich seine rhythmische Prosa selbst verfaßte? Warum nicht? Worauf wartet er denn? Wagner hat es gemacht; nur sind seine Dichtungen kein nachahmenswertes Beispiel, genauso wenig wie seine Musik. Seine Libretti sind nicht besser als andere. Nur für ihn waren sie besser. Und das ist die Hauptsache.
Lassen wir also die großen Dichter in Frieden. Sie haben es selber auch lieber. Im allgemeinen sind sie sehr empfindliche Leute.
(März 1911)