Variation 1 – T3 (Ulrich Schlotmann)

zwei Kitze spielen/necken sich bis
sie pissen müssen

das geht nur so: hin
/& her gar
Stund um Stunde um
/& um

dem will ich aber nun
mit meinem Schießgewehr
den Riegel vorschieben (tun) – wohl: binnen Sekunden

so mach ich diesen (hier): erst fiep ich (vorsichtig)
… wie’s verhofft, das dumme Stück!
dann lad ich (durch)
… und mir den Arsch hinhält (als ob)
dann knall ich’s ab: piff/paff!

das war’s dann (wohl)/gut Nacht
oder doch: fast…

ich riech den Schweiß, der Hund wird irr
und über allem loht der Mond, an fernen Tümpeln (irgendwo)
rufen Unken und langsam wird der Himmel rot

Thema 3 (Mara Genschel)

SPURLAUT

Zwei Stücke spielen, Stunden. Das eine treibt, das and’re lockt. Das and’re fiept und pisst, das eine spürt und pisst und treibt. Das and’re flieht. Das and’re stoppt und äugt. Das eine kommt. Das and’re bleibt, den Spiegel hingereckt, das eine schleckt und flehmt und pisst, das and’re pisst und flieht erneut.

Ein Original Weisskirchen Universal-Mundblatter lockt. Ein Stück wirft auf. Der Blatter fiept erneut. Das Stück zögert und reckt sein Gehöre. Der Blatter fiept und ein Stiefel raschelt geübt im Laub. Das Stück kommt vor, der Blatter fiept, der Jäger schießt. Das Stück kann waidwund fliehen.

Zwei Bracken beginnen, binnen Sekunden, zu bellen. Beide hell. Der eine jault, der and’re jault und heult. Der eine irrt. Der and’re stößt aufs Tropfbett, leckt. Der Jäger folgt. Das Stück verhofft, versteckt.

Thema 2 (Ulrich Schlotmann)

In dem Traum hat es immer geregnet. Auf die Dielen und das Parkett tropft Blut. Jene Frage zieht weitere nach sich. Ihr bricht der Zehennagel ab. Gott hat uns nackt erschaffen. Es wird jetzt Zeit zu gehen. Ihren Körper konnte er nicht vergessen. An dem Tag hat alles angefangen. Sperrangelweit steht die Tür zu dem Fabrikhof auf. Ich habe ihnen gute Nachricht zu übermitteln. Schnee liegt auf Dächern und der Wiese. Eine Anekdote hat er sich noch aufbewahrt. Sie verlässt gegen Abend die Seenlandschaft. Du erstaunst ihn immer wieder aufs Neue. Er sieht die Verfolger im Rückspiegel. Eine Sekunde ist vorüber.

Variations sérieuses

Weite Teile der Neuen Musik und der neueren Poesie erscheinen gegenwärtig wie in Reservaten zu entstehen, auf eng umgrenztem, von Festivals und Stipendien geschütztem Gebiet. Die spürbaren Folgen dieser Produktionsbedingungen: eine latente gesellschaftliche Dissoziation, die Tendenz zur Monokultur und das fortgesetzte Nachzirkeln der Fachbereiche.

Dabei gehen viele zeitgenössische Komponisten schon lange der sprachlichen Verfasstheit musikalischer Prozesse nach. Und für viele Autoren ist die musikalische Struktur sprachlicher Vorgänge das zentrale Element ihrer Arbeit. Dennoch werden die Verfahren des jeweils anderen Reservats in nur sehr beschränktem Maß wahrgenommen. Kaum kommt es zu gemeinsamen Arbeiten, die das klassische Modell der postumen Vertonung um womöglich neue Modelle der Sprachkomposition erweitern würden.

Die Liedertafel der Sing-Akademie zu Berlin lädt ein zu einem Ausbruch aus diesen Reservaten.
12 Autoren und Komponisten sind eingeladen zu wechselseitigen „variations sèrieuses“, zwischen Text und Ton. Ein Chor fragt sich gewaltig: wie bleiben wir jetzt ernst, wie singen wir jetzt weiter?

Termine

1 x im Monat = Neue Musik trifft Neue Poesie

13. April 10, 21 Uhr
Villa Elisabeth, Invalidenstr.3, Berlin
NIHILUM ALBUM
Eine Liedertafel mit Oswald Egger

9. März 10, 21 Uhr
Villa Elisabeth, Invalidenstr.3, Berlin
VARIATIONS SÉRIEUSES
Eine Liedertafel mit Ann Cotten, Mara Genschel, Sebastian Elikowski-Winkler, Christoph Herndler, Harald Muenz, Florian Neuner, Monika Rinck, Arne Sanders, Katia Tchemberdji, Asmus Trautsch, Ulrich Schlotmann

Dezember 09-Februar 09
Villa Elisabeth, Invalidenstr.3, Berlin
Arbeitstreffen für die VARIATIONS SÉRIEUSES

23. November 09, 21 Uhr
Villa Elisabeth, Invalidenstr.3, Berlin
DING DONG
Performance mit Hendrik Jackson, Gene Coleman und Audrey Chen

27. Oktober 2010, 21 Uhr
Institut für Kirchenmusik, Hardenbergstr.41
DIE FREUDEN DER JAGD
Lesung mit Ulrich Schlotmann

09

23.Juni – März 2010

VARIATIONS SÈRIEUSES
Auf zum Ausbruch aus den Reservaten. Erster Anlauf.

5. Mai
KIOSK KOSMOS
Eine Nacht lang Humboldts Kosmos. “Ein toller Einfall, die ganze materielle Welt, alles was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Grantifelsen, wissen, alles in Einem Werk darzustellen, und in einem Werk, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüth ergötzt.”

14. April
SOUND & SENSE. Händels Dinge

10. März
BARTHOLOMÄUS. Katia Tchemberdjis neues Oratorium

17. Februar.
KANON-KÜNSTE. Kritik & Cover

25. Januar
BURNS SUPPER

13. Januar
HÖLDERLINS RHYTHMUS. Boris Previsic im Gespräch

Brände – Bulgen – Epigraphe

8. Januar 2008, 21 Uhr
Lied-Werkstatt II
Daniela Danz, Elke Erb, Hendrik Jackson, Alban Nikolai Herbst, Jörg Birkenkötter, Katia Tchemberdji, Asmus Trautsch

29. Januar 2008, 21 Uhr
Vor einem mittleren indoeuropäischen Ohr.
Ulf Stolterfohts “Holzrauch über Heslach”

18. Februar 2008, 20 Uhr:
Sonanz. Eine Feier zum 70sten Geburtstag von Elke Erb.
Lesung mit Adolf Endler, Monika Rinck, Brigitte Struzyk, Brigitte Oleschinski, Urs Engeler, Wulf Kirsten u.a.
Uraufführung eines Liedes von Katia Tchemberdji und der Erb-Kommentare von Rainer Bredemeyer

25. April 2008, 21 Uhr:
lücken, buße, tun & lassen
Florian Neuner & Crauss zu einer Ästhetik des Scheiterns

27. Mai 2008, 21 Uhr:
Sich vom Stegreif nehren – Improvisation, Komposition, Komprovisation
Sebastian Kiefer über “performative Widersprüche der Neuen Musik”

13. Juli 2008, 22 Uhr:
Um movimento vivo –
Konkrete Poesie aus Brasilien

Auswärts: Akademie der Künste, Hanseatenweg, Halle 1, auf Einladung des “poesiefestival” Berlin

23. September, 21 Uhr,
Leseprobe – Sammeln und Sichten bei Wein und Käse.
Es lasen Simone Unger, Hendrik Jackson und Christian Filips. Die Anwesenden sangen Gelage-Kanons,
Papperlapperpapp von Ligeti und Mozarts Gaulimauli.

21. Oktober, 21:15 Uhr – Glassy Chord/Glasharmonika
Der Autor Wolfgang Schlüter und der Glasharmonika-Spieler Bruno Kliegl

7. Dezember 2008, 16 Uhr; Gesellschaft im Zeichen des Schönen

Neue Werke von Alexis Agrafiotis, Anne Champert, Charlotte Seither, Katia Tchemberdji, Asmus Trautsch (Komposition), Daniela Danz, Elke Erb, Christian Filips, Alban Nikolai Herbst, Hendrik Jackson, Ulf Stolterfoht (Texte), Ausführende: Gesa Hoppe (Sopran) – Kaspar Kröner (Altus) – Anne Champert (Klavier)
Sing-Akademie zu Berlin,  Leitung: Michael Betzner

Link zur Deutschen Oper: http://www.deutscheoperberlin.de/?page=spielplandetail&id_event_date=188668

Weiterreise der Winterreise

Projekte 07

13. Februar 2007, 21:00 Uhr:
Nobert Hummelt: Weiterreise der Winterreise

ein sittich sprang
von stang zu stang
wobei er dieses liedchen sang:
je innerer
desto schlimmerer
usw.

6. März 2007, 21:00 Uhr:
Oskar Pastior: Gimpelschneise in die Winterreise

Die Hauptachse ist die Hauptsache an der Wetterfahne*

Die Semaphoren morsen

*

O-Ton “Automne” Linguistikherbst

*

Meerschaumpfeifen

*

zweitens so und erstens anders

10. April 2007, 21:00 Uhr:
Wie gehen Klangfüße, Versfüße?
Stephan Meier, Alban Nikolai Herbst, Bernhard Böschenstein

1. Mai 2007, 21:00 Uhr:
Das politische Lied
Elke Erb, Matthias Freudigmann (Newropeans) u.a.

22. Oktober 2007, 21 Uhr:
Schönste Lieder
Michael Donhauser, Walter Zimmermann u.a.

27. November 2007, 21 Uhr
Lied- Werkstatt I
Daniela Danz, Elke Erb, Hendrik Jackson, Alban Nikolai Herbst, Jörg Birkenkötter, Katia Tchemberdji

11. Dezember 2007, 21 Uhr
Ins Offene. Kontrapunkte zu Bachs WO
Jörg Birkenkötter