Die Versuchung der stillen Veronika, Robert Musil: “Irgendwo muss man zwei Stimmen hören. Vielleicht liegen sie bloß wie stumm auf den Blättern eines Tagebuchs nebeneinander und ineinander, die …
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… dunkle, tiefe, plötzlich mit einem Sprung um sich selbst gestellte Stimme der Frau, wie die Seiten es fügen, von der weichen, weiten, gedehnten Stimme des Mannes umschlossen, von dieser verästelt, unfertig liegen gebliebenen Stimme, zwischen der das, was sie noch nicht zu bedecken Zeit fand, hervorschaut. Vielleicht auch dies nicht. Vielleicht aber gibt es irgendwo in der Welt einen Punkt, wohin diese zwei, überall sonst aus der matten Verwirrung der alltäglichen Geräusche sich kaum heraushebenden Stimmen wie zwei Strahlen schießen und sich ineinander schlingen, irgendwo, vielleicht sollte man diesen Punkt suchen wollen, dessen Nähe man hier nur an einer Unruhe gewahrt wie die Bewegung einer Musik, die noch nicht hörbar, sich schon mit schweren unklaren Falten in dem undurchrissenen Vorhang der Ferne abdrückt. Vielleicht dass diese Stücke hier dann aneinander sprängen, aus ihrer Krankheit und Schwäche hinweg ins Klare, Tagfeste, Aufgerichtete.”
Robert Musil: Die Versuchung der stillen Veronika.
Gershom Scholem in einem Offenen Brief an Hans Joachim Schoeps vom 15.8.1932
“Die Offenbarung, und diese tiefe alte und tiefe Wahrheit kommt in Ihrer Schrift zu kurz, wie sie es schon bei Steinheim kam – die Offenbarung ist bei aller Einmaligkeit doch ein MEDIUM. Sie ist als Absolutes, Bedeutung-Gebendes, aber selbst Bedeutungsloses das DEUTBARE, das erst in der kontinuierlichen Beziehung auf die Zeit, in der Tradition sich auseinanderlegt.
Das Wort Gottes in seiner absoluten, symbolischen Fülle wäre, wenn anders es zugleich auch UNMITTELBAR (undialektisch) bedeutend wäre, zerstörend. Nichts nämlich – und die Dialektik dieses Sachverhalts, in der die Idee der mündlichen Thora gründet, finde ich in ihrer Schrift noch nicht erkannt – ist, auf historische Zeit bezogen, mehr einer Konkretisation bedürftig als eben die (um ihre Worte zu benutzen) absolute Konkretheit des Offenbarungswortes.
Ist doch das absolut Konkrete das Unvollziehbare schlechthin, dessen Absolutheit eben seiner unendlichen Spiegelung in den Kontingenzen des Vollzugs bedingt. Hier erst wird es, mit dem Index der Anwendbarkeit versehen, dessen das Absolute entbehrt, der MENSCHLICHEN Tat als Konkretes auch ergreifbar. Die STIMME, die wir vernehmen, das ist das Medium, in DEM wir leben, und wo sie das nicht ist, da ist sie hohl und nimmt den Charakter des Gespenstischen an, in dem das Wort Gottes nicht mehr wirkt, sondern – und sei es auch in Dogmen – umgeht. …
Die Anwendbarkeit des absoluten Wortes – um dieses Problem, das ich das der BLENDUNG nenen möchte, die von der Offenbarung ausgeht, kann keine biblische Theorie (die nicht umsonst im Judentum nie existiert hat) uns herumführen, und wer die Stimme vernimmt, von der schon die Kabbalisten gesagt haben, dass sie Offenbarung und Erlösung in einem ist, muss auch den Weg zurückzulegen suchen, der in ihr zwischen diesen beiden Polen führt. Das Residium der Stimme, als welches im Judentum die Tradition in ihrer schöpferischen Entwicklung ist, kann nicht von ihr getrennt werden (..).