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“(kleine pause als überlegte ich noch etwas, sei noch nicht zu ende, dann:)

vielleicht könnte man den bekannten schlusssatz des tractatus philosophicus von wittgenstein so modifizieren: >>Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man<< singen.”

Gerhard Rühm: Ende des vortrags. Symposion >>zweifel an der sprache<<
Aus G. Rühm: Aspekte einer erweiterten Poetik. Vorlesungen und Aufsätze. 2008. Seite 79

Kontroverse zur frei improvisierten Musik

Ist die freie Improvisation am Ende?
Zur Vergangenheit und Gegenwart einer flüchtigen Kunstform in der Schweiz
Von Thomas Meyer
In dissonance 111, September 2010

Und der reactionsmeyer versammelt im Blogformat Reaktionen.

Zudem: Kontroverse zur frei improvisierten Musik auf dissonance.ch
Diskussionsmaterialien zur Situation einer freien Kunstform

Und: Vor 13 Jahren
Improvisierte Musik in der Schweiz, dissonance 22, Nov 1989
von Thomas Meyer

ernst jandl: das fanatische orchester

der dirigent hebt den stab
das orchester schwingt die instrumente

der dirigent öffnet die lippen
das orchester stimmt ein wutgeheul an

der dirigent klopft mit dem stab
das orchester zerdrischt die instrumente

der dirigent breitet die arme aus
das orchester flattert im raum

der dirigent senkt den kopf
das orchester wühlt im boden

der dirigent schwitzt
das orchester kämpft mit tosenden wassermassen

der dirigent blickt nach oben
das orchester rast gen himmel

der dirigent steht in flammen
das orchester bricht glühend zusammen

musik

1

musik mit einer flasche und einem
schuh, saure rosen und staub aus der
achsel, eine akzeptierte lampe, kein
nebel aus brillen, und die runde
trophäe beim einstich in die hand

2

musik ist grün und was versteht man
darunter, was versteht man darüber und
was steht daneben, ein losgerissener rand,
ein abgefeiltes profil, zusammengeleimte
ratten, ein frosch als nadelkissen.

3

musik ist grün ist ein satz mit musik der
weniger allgemein akzeptiert werden wird
als zum beispiel der satz: musik ist
gründlich, der von vielen ohne weiteres
akzeptiert werden wird, die es nicht ohne
weiteres akzeptieren werden, dass musik
aus zusammengeleimten ratten besteht.
.
.
Ernst Jandl, aus: die bearbeitung der mütze. (9 . 74)

RATSCHLAG, DIE KIEFERN BETREFFEND

“Ein eintöniges Geräusch muss nicht unbedingt beruhigen. Eine Bohrmaschine beruhigt niemanden, außer vielleicht den Werkmeister. Dennoch sind es die monotonen Geräusche, in denen man noch am ehesten Ruhe finden kann.
Das Angenehme am Geräusch des Windes, der über einen Kiefernwald streicht, ist, dass dieses Rauschen keine Kante hat, es ist ganz rund. Aber es hat nichts Meergrünes an sich. (Oder besänftigt es vielleicht, weil es uns dazu verleitet, uns ein bedeutendes und sanftmütiges Wesen vorzustellen, das außerstande ist, völlig außer Rand und Band zu geraten?)
Allerdings sollte man nicht allzusehr auf die Spitzen der Kiefern schauen, wenn sie von starkem Wind gerüttelt werden. Denn wenn man sich vielleicht vorstellte, auf ihrem Wipfel zu sitzen, in einem solchen Schwanken, könnte man sich, und viel natürlicher, als wenn man sich auf einer Schaukel oder im Fahrstuhl befände, davongetragen fühlen, aufgrund dieser bizarren und prächtigen Bewegung dort oben, sich davongetragen fühlen und, obgleich man sich zwingt, nicht daran zu denken, ganz gewiss weit davon entfernt, über dieses Schwanken meditieren zu wollen, ist man ohne Unterlass damit beschäftigt, fühlt man sich noch immer im schwankenden Wipfel einer Kiefer, kann man nicht wieder hinabsteigen zur Erde.”

Henri Michaux, übersetzt von Ralf Pannowitsch

.. stimmen ohne stimme ..

“Es waren diese verführerischen Stimmen ohne Stimme, köstliches Säuseln, das bezaubert, bannt, die diejenigen bis zum Sterben verführten, die, unbefriedigt und doch in gewisser Hinsicht mit sich im Reinen, für dieses Abenteuer die rechte Seele hatten. Ich war verwirrt, meine Gefühle waren mehrfach geteilt. Und sie glitten weiter vorbei … und ich ließ sie vorbei. Was anderes tun? Manchmal wurde eine rauschende Wasserrakete über einem leichten Hindernis auf ganz natürliche Weise vage, perlmuttene Form, Phantom, das sich behende umdrehen würde, um mir, schon etwas bedeutsamer, sein leichtes f-ft, sein feuchtes Komm, komm zuzuwerfen, zwischen zahlreichen kleineren Rufen, halb resigniert, die nach allen Seiten sprühten. Endlich verließ ich die Stätte. Ich fragte mich: Wenn von weitem irgendein Schweizer mich beobachtet, zu dieser späten Stunde, was wird er denken?”

Henri Michaux, übersetzt von Helgard Rost

.. fallen und klettern ..

“Die musikalische Erregung kommt gerade daher, dass der Komponist in jedem Augenblick mehr oder weniger wegnimmt oder hinzufügt, als der Zuhörer erwartet, im Glauben an einen Plan, den er zu erraten meint, den er aber nicht zu durchschauen vermag aufgrund seiner Gebundenheit an eine doppelte Periodizität: an die seines Brustkorbes, die von seiner individuellen Natur, und die der Tonleiter, die von seiner Erziehung abhängt. Nimmt der Komponist mehr hinweg, so empfinden wir ein wunderbares Gefühl des Fallens; wir fühlen uns von einem festen Punkt des Tonsystems weggerissen und ins Leere geschleudert, aber nur deshalb, weil sich die Stütze, die uns geboten wurde, nicht an der erwarteten Stelle befand. Und nimmt der Komponist weniger hinweg, so tritt das Gegenteil ein: er zwingt uns zu einer kunstvolleren Gymnastik, als wir beherrschen. Bald sind wir bewegt, bald gezwungen, uns zu bewegen, und immer jenseits dessen, was wir, allein, zu leisten uns fähig glaubten. Das ästhetische Vergnügen besteht aus dieser Vielfalt von Erregungen und Aufschüben, von enttäuschten und belohnten Erwartungen, und jenseits der Erwartung, – ein Resultat der von dem Werk gestützten Herausforderung; und es besteht aus dem widersprüchlichen Gefühl, das sie einflößt, dass die Prüfungen, denen sie uns unterzieht, unüberwindbar sind, während sie uns gleichzeitig die wunderbar überraschenden Mittel bereitstellt, sie zu besiegen.”

Claude Lévi-Strauss: Ouverture, in Das Rohe und das Gekochte, Mythologica I
Übersetzt von E. Moldenhauer

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Bewegt: etwas setzt sich in Bewegung (nicht zu schnell), etwas rührt sich richtungslos, wie schwankende Zweige, wie ein rauschender Aufruhr des Körpers,
Aufgeregt: etwas erwacht, etwas hebt sich, richtet sich auf (wie ein Mast, ein Arm, ein Haupt), etwas ruft hervor, regt auf (und natürlich: etwas wird steif),
Innig: man bewegt sich auf seinen innersten Grund zu, sammelt sich an der Grenze dieses Grundes, der eigene Körper verinnerlicht sich, er verliert sich nach innen, in seinen eigenen Gefilden,
Äußerst innig:
man denkt sich im Grenzzustand; vor lauter Innerlichkeit stülpt sich das Innen um, als gäbe es am äußersten Punkt ein Außen des Innen, das dennoch nicht die Außenseite wäre,
Äußerst bewegt: es rührt sich, es regt sich so stark, dass es durchaus brechen könnte – aber nicht bricht,
Rasch:
gelenkte Behendigkeit, Genauigkeit, richtiger Rhythmus (Gegenteil der Hast), schnelles Ausgreifen, Überraschung, Bewegung der ins Blattwerk schlüpfenden Schlange.

Aus: Barthes: Der Körper der Musik. Übersetzt von D. Hornig.