der geliebte führer über die macht des liedes

kim jong-il, der jüngst verstorbene generalsekretär der partei der arbeit koreas, vorsitzende der nationalen verteidigungskommission der demokratischen volksrepublik korea & oberbefehlshaber der koreanischen volksarmee, dürfte das einzige staatsoberhaupt gewesen sein, das theoretisch umfassend über alle kunstgattungen gearbeitet hat – so in den tractaten über die filmkunst (pyongyang juche 78 = 1989) oder über die baukunst (pyongyang juche 93 = 2004). über die musikkunst (pyongyang juche 93 = 2004) leitet er so ein:

“Es ist eine uns von der Zeit gestellte historische Aufgabe, von der Juche-Ideologie ausgehend, allseitig die grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit Wesen, Mission, Rolle, Inhalt und Form der Musik umfassend zu klären und durch die richtige Einstellung zur Musik alle theoretisch-praktischen Probleme bei der Schaffung einer Musik unserer Prägung zu lösen.

Kim Il Sung legte früher im Feuer des revolutionären Kampfes gegen Japan die originale, d. h. unserem Wesen und unserer Ideologie entsprechende, uns eigene Literatur- und Kunstidee dar, schuf persönlich die Tradition der revolutionären Musik und führte kompetent unser musikalisches Schaffen. Folglich ist heute in unserem Land eine große Blütezeit der Musikkunst unserer Prägung eingetreten.”

nach kapiteln über die melodie als “grundlage aller musik” & die “schönheit & sanftheit von melodien” wird sehr schnell klar, daß kim jong-il unter musik vor allem vokalmusik versteht, innerhalb derer das (volkstümliche) lied sozusagen die königsdisziplin darstellt:

“Die Vokalmusik unterscheidet sich von der Instrumentalmusik darin, dass ihr Hauptausdrucksmittel die menschliche Stimme ist und sie einen Text hat. Da sie vom Text begleitet wird, ermöglicht sie es dem Menschen, den ideologischen Inhalt des Musikwerkes leichter zu begreifen. Vor allem müssen wir uns um die Entwicklung der Vokalmusik bemühen, deren Inhalt und gestalterische Absicht jedem leicht verständlich sind und die die Massen im Alltagsleben gut singen können.

Das Lied ist eine musikalische Gattung, die am engsten mit dem Leben der Massen verbunden ist. Es ist die Hauptform der Massenmusik, die sich unter den Menschen leicht verbreiten lässt und von ihnen jederzeit und an jedem beliebigen Ort gern gesungen wird. Wir sollten deshalb vor allem die Lieder entwickeln, die mit dem Leben der Volksmassen am engsten verbunden sind und die auch jeder singen mag.

Das ist auch unerlässlich, um die revolutionäre Mission und Rolle unserer Musik weiter zu erhöhen. Beim Mobilisieren, Organisieren und Aufrufen der Volksmassen zur Revolution und zum Aufbau ist keine Musik so machtvoll wie ein Lied.”

charlottenburger übersetzerwerkstatt

das übersetzen von gedichten mag schwierig, ja: unmöglich sein – selbst im äußersten mißerfolgsfall beleidigen gescheiterte übersetzungen von gedichten aber höchstens die ästhetischen nerven eines lesers. ganz anders verhält es sich mit sachtexten & gebrauchsanweisungen, von deren lektüre & verständnis handlungen in der welt abhängen, mitunter sogar die nahrungsaufnahme! das mußte eine abordnung der liedertafel erfahren, die in einer winternacht in berlin-charlottenburg umherschweifte & von einer anleitung zum verzehr von soleiern vor multiple rätsel gestellt wurde, obwohl ihnen diese sogar in 2 sprachen vorgelegt wurde: warum wird im deutschen nur 1 hälfte des eis gegessen? (was geschieht mit der anderen?) warum ist das wunderbare geschmacksereignis nur auf englisch möglich? usf.

deshalb soll hier der aufruf ergehen, weitere varianten zwischen den sprachen zu erstellen, die zu größerer klarheit oder erhellender verwirrung beitragen! möglich, daß auch eine vertonung der texte sich als hilfreich erweisen könnte! die besten übersetzer & compositeure erhalten 1 solei für den selbstversuch.

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“(kleine pause als überlegte ich noch etwas, sei noch nicht zu ende, dann:)

vielleicht könnte man den bekannten schlusssatz des tractatus philosophicus von wittgenstein so modifizieren: >>Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man<< singen.”

Gerhard Rühm: Ende des vortrags. Symposion >>zweifel an der sprache<<
Aus G. Rühm: Aspekte einer erweiterten Poetik. Vorlesungen und Aufsätze. 2008. Seite 79

Sinusodial waves – Hörprotokoll Vivier

Hörte im Januar öfter Claude Vivier: Wo bist du Licht! (1981) 23′, für Mezzosopran, Perkussion, Streicher und Band. Da ist ein Eklektisches, Fläche, Kitsch, Fläche – tellerförmiges Pathos? – , das mich reizt. Die Hysterie einer Mondnacht, in der alle Fühler drei Monde sehen, obwohl bloß sechs da sind. Hört Ihr den Sinus? Er turtelt.

Wo bist du Licht! I

Wo bist du Licht! II

Michel Gonville, 1984, in einem Essay zu dem Stück:

Following an instrumental opening that shifts from noise to sound, a slow development begins with “smooth spectral music” leading to “spectral music that melodically follows the contours of a sinusoidal wave.” […] Un-metered rhythmical elements will slowly come together in a “steady beat.” […] The spectral range will progressively decrease [and] when it has thinned down in the centre, it will grow towards the extremes, articulated by a pulsation that quickly dissolves. Soon, this suddenly pulsated music will transform itself again, in order to follow the exact contours of the melody’s end (homorhythmy).

Textual Aspect, three types of texts:
1. An emotional one: Martin Luther King’s last speech and a recording in situ of Robert Kennedy’s assassination. Both texts are heard at the beginning of the melody, as some faraway recollections looming up in the music.
2. Abstract text, with no signification” (invented language). A sung text superimposed on the recording of another voice (male) reading Hölderlin’s text.
3.  Descriptive text about torture”

Kontroverse zur frei improvisierten Musik

Ist die freie Improvisation am Ende?
Zur Vergangenheit und Gegenwart einer flüchtigen Kunstform in der Schweiz
Von Thomas Meyer
In dissonance 111, September 2010

Und der reactionsmeyer versammelt im Blogformat Reaktionen.

Zudem: Kontroverse zur frei improvisierten Musik auf dissonance.ch
Diskussionsmaterialien zur Situation einer freien Kunstform

Und: Vor 13 Jahren
Improvisierte Musik in der Schweiz, dissonance 22, Nov 1989
von Thomas Meyer

FA:M’ AHNIESGWOW

Dienstag, 25. Oktober 2011, 21.15 Uhr
Villa Elisabeth, Invalidenstraße 3, Berlin

Unser aller lügiliebstes Vaterdankrückenland  – Gröhlvolke –  NUTNIKS

Mit seinen zwischen konkreter Poesie und Musik, Gesellschaftskritik und Sprachwissenschaft changierenden Arbeiten hatte Hans G Helms (*1932) entscheidenden Anteil an den Avantgarde-Bewegungen der Nachkriegszeit. Im engen Kontakt mit Theoretikern wie Adorno und Kracauer und Komponisten wie Cage und Stockhausen entwickelte er zahlreiche Experimente, darunter die als sein Hauptwerk geltende Sprach-Musik-Komposition „fa:m’ ahniesgwow“ (1959).

Dieses „filigran komponierte Mosaik von äußerster Empfindlichkeit” (Helms), hervorgegangen aus einem gemeinsam mit Komponisten unternommenen James-Joyce-Lesekreis, wurde in diesem Jahr zum ersten Mal vollständig eingespielt (Label: WERGO). Es verbindet die Liebesgeschichte zwischen einem frühreifen jüdischen Jüngling und der Tochter eines finnischen SS-Generals mit ästhetisch-phonetischer Sprachanalyse und deutlich artikulierter Kritik an realen gesellschaftlichen Strukturen der BRD der fünfziger Jahre.

Die Liedertafel der Sing-Akademie hat das Kölner SprachKunstTrio sprechbohrer (Sigrid Sachse, Harald Muenz, Georg Sachse) eingeladen, das Werk live in Auszügen vorzustellen.

Im Anschluss: Gespräch bei Käse und Wein.