Variation 5 – T 6 (Florian Neuner)

modul 1 (wewelsflether fassung): es werden bessere tage kommen; beschreibung der gelben zone; texte zur zeit

der am stadtrand gelegene häuserblock. am 9. februar 1961. die farbe eines großen teils der bodenfläche. die fröhliche stimmung wird verstärkt. das gebäude ist eine spielzone. die konstruktion ist leicht. die maßen verschwinden vollständig. mitunter steht man plötzlich unter freiem himmel. in diesem stadtteil kann man auf dem luftweg ankommen. in neapel treten die straßenbahner in einen blitzstreik. am abend kommen die arbeiter aus den fabriken. sehen, daß die bahnen nicht fahren, & solidarisieren sich mit den streikenden. mit beweglichen trennwänden werden die etagen in viele räume aufgeteilt. die umgebung wird ständig verändert. dort werden intellektuelle spiele gespielt. im westen das große & das kleine labyrinthhaus. die macht des architektonischen durcheinanders. die zeit beginnt farbe anzunehmen & form. die arbeiter werfen molotowcocktails & zünden busse an. wasserspiele, ein circus, ein großer tanzplatz. herrliche aussicht auf den verkehr auf der autobahn. die labyrinthhäuser bestehen aus vielen zimmern. unregelmäßigen formen, wendeltreppen, verborgenen winkeln. freiem gelände & sackgassen. setzen sich siegreich gegen polizei &feuerwehr durch. dort geht man in die irre.

der »taube saal« ist mit isolierstoff ausgekleidet. das »grelle zimmer« mit lebhaften farben. tausende stürmen in die stadt. mit überwältigenden geräuschen. zerstören schaufenster & beleuchtungskörper. in der nacht wird militär herbeigerufen. panzerfahrzeuge rollen in die stadt. mitunter wird die zeit für einen augenblick sichtbar. radiosender erzeugen echos. im »bilderzimmer« werden filme projiziert. zimmer der überlegung, der ruhe, der erotischen spiele. die revolte beginnt sich auszubreiten. das verweilen in den häusern bewirkt eine heilsame gehirnwäsche. entstehende gewohnheiten werden ausgelöscht. am 4. august gehen bergarbeiter gegen autos vor. eine abwehrhandlung gegen den hauptgegenstand des entfremdeten konsums. die wasserspiele befinden sich zwischen den häusern. an dieser stelle öffnet sich der himmel. die streikenden in liège zerstören die druckmaschinen der tageszeitung. wasserstrahler & brunnen, hecken in seltsamen formen.  zeitebenen werden geschaffen. in einer gläsernen grotte kann beim betrachten der sterne gebadet werden. ein gipfel des bewußtseins der bewegung. ein angriff auf die medien, die sich in den händen ihrer feinde befinden. optische linsen anstelle von fenstern vergrößern den benachbarten häuserblock.

die passage führt zum großen tanzsaal. hier liegt der kritische punkt des konflikts. man kann auch auf den terrassen um die wasserspiele gehen. das nie aufgesprengte schloß, das den zugang des »wilden« arbeitskampfes zur machtperspektive versperrt. das ist eine bezeichnende tatsache. die zeit läuft meßbar/erfahrbar/scheinbar geradlinig & für lange zeit wieder unsichtbar weiter. auf dem weißen platz finden kundgebungen statt. bergleute haben 20 mann für einen hungerstreik delegiert & sich damit auf 20 stars verlassen, die mitleid erregen sollen. die kundgebungen bewegen sich zum grünen platz. die bergleute haben ihren kampf verloren. weil ihre einzige chance darin bestanden hätte, den kampf über ihren eigenen, defizitären sektor hinaus auszudehnen. unter diesem platz findet man öffentliche verkehrsmittel. revolutionäre arbeiter vergessen, daß die vertretung immer auf das notwendigste beschränkt bleiben muß. auf wenige dinge & seltene gelegenheiten. aber die widerstandbewegung gegen die verdummung wird nicht nur von arbeitern geführt. der größte teil muß künstlich beleuchtet werden. der schauspieler n. enthüllte durch eine Zeitungsannonce den täter einer krimiserie im fernsehen. dieser mann hat einen sinnvollen sabotageakt begangen. der ansturm der arbeiterbewegung gegen die gesamte organisation der welt ist schon lange zu ende. die zeit bleibt stehen. klimaanlagen müssen installiert werden.

ein kaum wahrnehmbarer schleier entsteht in den oberen schichten der atmosphäre. der ansturm ist schon lange zu ende. nichts könnte ihn noch einmal zum leben erwecken. nicht ohne großartige ergebnisse erzielt zu haben. auswechselbare & auseinandernehmbare möbelstücke fördern den ständigen wechsel der szenerie. man muß die klassische arbeiterbewegung wieder mit offenen augen studieren lernen. nirgends ist versucht worden, natürliche verhältnisse nachzuahmen. man muß einen klaren kopf bewahren. denn die politischen & pseudo-theoretischen erben haben nur ihre niederlagen geerbt. die tiere verhalten sich ruhig. die fehlschläge sind die bisher aufschlußreichsten erfolge. man muß die ganze wahrheit wiederfinden. sanddünen & steine wachsen. alle oppositionellen strömungen unter den revolutionären. wir müssen diese zeichen verstehen lernen. luftspiegelungen finden statt. es gibt keine andere möglichkeit, die aktionen unserer genossen in der vergangenheit zu verstehen. es sei denn durch eine neuentdeckung der revolution. eine neuentdeckung auf höchstem niveau. warum ist diese neuentdeckung so schwierig? sie ist nicht so schwierig, wenn man von der suche nach der freiheit im alltäglichen leben ausgeht. erfindung von klimaverhältnissen & beleuchtungsverfahren. die aufgabe ist, alles bestehende in frage zu stellen. es entsteht ein seltsames bild. es genügt schon, wenn man die philosophie nicht aufgegeben hat – wie fast alle philosophen. wenn man die kunst nicht aufgegeben hat – wie fast alle künstler. erst dann verknüpfen sich die fragen bis zu ihrer gegenseitigen aufhebung.

Variation 1 – T9 (Rinck)

DER TRAUM VON DER MÜHELOSIGKEIT

… und das Wasser um unsere Knöchel
stieg mit dem Ernst einer Erscheinung,
die ihr Handwerk versteht. (Brecht)

Der Traum geht weiter. Er dauert etwa drei bis vier Minuten.
Ei, die klaren Elemente. Worauf das Wasser sich versteht,
fließen oder steigen und versiegen, und dann einer oder eine,
deren Haut ganz flüssig ist, da hineinzutauchen. Oder aber
mit dem Wasser tauschen: Schau, mit der Mühelosigkeit
(ich träume) mit der Wasser Durchlass findet, Betten macht
und durch die Risse sickert, und der Mühe, die ich habe,
es zu hindern, wenn es spielt, ohne zu spielen, bei fast
40 Minusgraden nicht gefrieren, als Eis selbst bei 400 Grad
nicht tauen, über Null! Nur ein kleines, kleines Vergehen.
Taumelnd verfolgen die Ungeübten den schwappenden Traum
hinter die Unlust zu schauen, verstehen, was das Wasser macht,
sich verstehen und dann verstanden werden. Und träten
auf die Bühne, gänzlich ungeübt,  führten die Leute, die alles,
wie Wasser verstünden, in äußerste Rührung. Haha! Das heißt,
man würfe sie hoch in die Luft,  zum höchsten Leichtsinn gerührt
wie luftgefüllte Hüllen, und das ungeübt! Und sie schwebten,
hochgeworfen, bewegt, dann gefangen, jeden Einzelnen für sich:
Im Ernst: Unlust denken lernen, dann vergessen, was man lernte,
dann die Scham vergessen, und sich dann: an alles, alles erinnern.

Auf eine Art “welche wie das klare Element beschaffen ist,
dessen flinke Bewohner durcheinander schwimmen,
blinkelnd oder dunkelnd auf und ab fahren,
ohne sich zu verirren oder zu verlieren.” (Zelter)

Variation 1 – T 4 (Claudia Herr)

Variation für Gesang unter Wasser, freie Chormelodie und Zuspiel

Das Zuspiel zum Anhören: AquAria2008

Equipment: großes hohes Gefäß, mit Wasser gefüllt, Hydrofon, kleines Mischpult, Boxen, CD-Player

I….Ein Todesengel der Dinge…
II…Meeresmädels, sagt mir, was sing ich?…
III…Ich habe gehört, die Meeresmädels – sie singen…
IV… Spezielle Stimme singt und singt dich hin…

Anleitung für die Sängerin unter Wasser: Singe den Text von II immer wieder im Wechsel über Wasser und unter Wasser; von unter Wasser und über Wasser. Wenn das CD-Zuspiel zu Ende ist, halte die Spannung für 2 Sekunden, indem du mit offnem Mund und offnen Augen verharrst. Nach 2 Sekunden gemeinsam mit dem Chor einen kurzen Schreckatmer = Schluss.

Anleitung für die freie Chormelodie: Stimmgruppe I = Sopran, Stimmgruppe II = Alt, Stimmgruppe III = Tenor, Stimmgruppe IV = Bass. Die erste Sängerin aus Stimmgruppe I beginnt das Wort „Ein“ zu singen. Wenn Sängerin 1 zu Ende gesungen hat, setzt die zweite Sängerin aus Stimmgruppe I ein und beginnt das Wort „Todesengel“ zu singen. Wenn die zweite Sängerin fertig gesungen hat, setzt die dritte Sängerin ein und beginnt das Wort „der“ zu singen u.s.w. Wenn alle der Reihe nach die Wörter gesungen haben, beginnt es nahtlos wieder von vorne. Stimmgruppe II beginnt der Reihe nach die Wörter von II zu singen, wenn die vorhergehende Stimmgruppe einmal mit ihren Wörtern durch ist. Nach demselben Prinzip setzen Stimmgruppe III und Stimmgruppe IV ein und singen ihre Wörter von III bzw. IV. Singt die Wörter kurz!
Wann setzen wir ein und wann hören wir auf?  – Stimmgruppe I, also die 1. Sängerin aus Stimmgruppe I, setzt zusammen mit der Solistin zu Beginn des Stückes ein. Der Chor verstummt, wenn die Solistin mit dem Kopf unter Wasser geht. Kommt sie wieder über Wasser, singt der Chor weiter. Geht die Solistin wieder unter Wasser, verharrt der Chor u.s.w. Wenn das CD-Zuspiel zu Ende ist, halten alle die Spannung für 2 Sekunden mit offenem Mund und offenen Augen. Nach 2 Sekunden gemeinsam mit der Solistin einen kurzen Schreckatmer = Schluss.

Variation 8 – T2 (Florian Neuner)

aus des knaben balhorn (II)

sie schäumen vom klaren, von brammen.
die quittung bat nicht um pagen. sie bat.
die sielen ahnden auch parder. oho!
sie poltern auf den schafotten. na geh!
sie laben den stümper – ja, ohne witz.
was wäre bekloppter als diese klopse?
die hinterpfote schwelge in dem komplott.
ratzfatz – es bellt wie zur kür ein roß,
während rapfen hörbar klackten, kackten,
altkluger scheiß & neubacknes posaunen.