. . . wagen sie e m p f i n d s a m ! . . .

EMPFINDSAM, mollis, facile molliores sensus concipiens, zum erstenmal gebraucht von BODE, der in der vorrede zu Yoricks empfindsamer reise (1768) erzählt, dasz LESSING es ihm als übersetzung von sentimental empfohlen habe.

LESSINGS eigne worte ebendaselbst lauten:  ‘es kömmt darauf an, wort durch wort zu übersetzen, nicht eines durch mehrere zu umschreiben. bemerken sie sodann dasz sentimental ein neues wort ist. war es Sterne erlaubt sich ein neues wort zu bilden, so musz es eben darum auch seinem übersetzer erlaubt sein. die Engländer hatten gar kein adjectivum von sentiment, wir haben von empfindung mehr als eines, empfindlich, empfindbar, empfindungsreich, aber diese sagen alle etwas anders. wagen sie  e m p f i n d s a m ! wenn eine mühsame reise eine reise heiszt, bei der viel mühe ist, so kann ja auch eine empfindsame reise eine reise heiszen, bei der viel empfindung war, ich will nicht sagen, dasz sie die analogie ganz auf ihrer seite haben dürften. aber was die leser vors erste bei dem worte noch nicht denken, mögen sie sich nach und nach dabei zu denken gewöhnen’.

die Franzosen haben sentimental aus dem engl. übernommen, nnl. sagt man sentimenteel, schw. känslosam, isl. tilfinningasamr, beides nach unserm empfindsam, das sich schnell einführte und von ADELUNG  (1774) aufgenommen wurde: edle handlungen, mit welchen unsere empfindsamen schriften so viel um sich werfen.

Aus dem Grimmschen Wörterbuch.

 

ps:  der persiflierende kältling trägt nur den umgekehrten mangel des empfindseligen zur schau. (JEAN PAUL)

DIALOGUE OF THE DOGS on EXTRA TAILS

Bild028Scipio: Enough already. Get on with your philosophizing.

Berganza: That was it – what I just got through saying.

Scipio: What?

Berganza: All that about Latin and the vernacular, which I started and you helped me finish.

Scipio: You call all that negativity philosophizing? So that’s how it is! Keep on making excuses for this damned epidemic of slander and – call it what you like – it’ll have them calling us Cynics, the original gossiping dogs. For crying out loud, shut up already and get on with your story.

Berganza: How can I continue my story if I shut up?

Scipio: I mean get to the point, and quit pinning so many extra tails on your story that it looks like an octopus.

Berganza: Speak fortrightly. All this about tails just won’t do.

Scipio: You’re wrong if you think it’s not rude and crude to call things by their right names, as if it weren’t better, if you have to call them something, to use roundabouts and curlicues to get around the unpleasantness of hearing them described clearly. Handsome is as handsome sounds.

Berganza: All right then, I believe you. (..)

MIGUEL DE CERVANTES: THE DIALOGUE OF THE DOGS. Übersetzt von David Kipen.

DIE KERZE AN BEIDEN ENDEN

Steigungen und Gefälle, Verstiegene und Verunfallte, Leidens- respektive Lebenswege, die an beiden Enden brennen, aufgeschichtet Hypothesen, Schotterstraßen, Schotterstraßen, an deren Rändern, das heißt Seitenstreifen, unbefestigt Ansichten zu liegen kommen, liegenbleiben, wo sie erneut, genauso wie der Weg, als Hypothese aufgenommen werden können. Und es gibt viele, viele Hypothesen. Weiß keiner und weiß keine, wo der Befragte, wo die Befragte ist. Und “IST”, was ist das überhaupt: “IST”? Egal. Weiß keiner und weiß keine, wo wir sind. Weiß keiner und weiß keine, wo die anderen sind und wer. Sie werden vielleicht einmal auf sehr vertrackte und ausgiebige Art ins Erzählen kommen. Schon arrangieren sich Stellungen rund um das fremde Bewusstsein, schon nehmen sie Einfluss.

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Siehe hierzu auch Stränge, sowie die des Erzählens, nebenbei auch: stränge Gesänge. Sie stellen lesend immer wieder fest: Das Fixierte Bild – es kippt. Das Kippen des Fixierten Bildes. Das entspricht etwa der Antwort des Rituals auf den Witz: Das Ritual kippt, der Witz indes persistiert (oder bohrt), der Mensch lacht. Dazu später mehr.

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Neben dem Sträng-schem (strangen) zeigt sich am Rande des Wegs, ihn mit unterinformativem Kontrast umfließend, das Amorphe, in das all dies eingebettet ist, oder wo heraus es ragt. Bitte beachten Sie zunächst prototypisch die drei narrativen Stränge, die aus dem Amorphen heraus oder in es hineinführen.

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Auf der nächsten Abbildung hingegen sehen Sie fünf konkurrente, abbrechende Handlungsstränge (man nennt dies auch: non sequitur), die ihrerseits ein Spannungsfeld im Amorphen einzurichten trachten.strangdung090

Der Fachbegriff (sehr einprägsam aufgrund der zu beobachtenden Verwurzelung) ist DUNG-DOCHT. In der nächsten Darstellung sind zudem einige subkutane Handlungselemente zu erkennen.

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There are poets in whose work every wrong turn is a cognitive transformation, back on to the way of our despair, schreibt Keston Sutherland am Ende seines Aufsatzes WRONG POETRY (1) und schickt uns zurück auf unseren Weg der Verzweiflung: Back on to the way of our despair. Das ist der Hegelsche Weg, im Übrigen.(2) Da wir leider nicht über eine treffsichere Abbildung des Wegs der Verzweiflung verfügen, zeigen wir stattdessen: Hegels Frisur. Voilà.

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Also: Es gibt den Weg des natürlichen Bewusstseins, das zum Wissen dringt. Hypothetisch. Sternes Figuren drängen zum Wissen niemals ohne die Proviantierung durch vielerlei Hypothesen, hier beispielsweise die berühmte Hypothese über die Fortpflanzung bei Pilzen, mithilfe von Sporen.
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Neben dem eben erwähnten Weg des natürlichen Bewusstseins, führt Hegel den Weg der Seele an, welche die Reihe ihrer Gestaltungen (als durch ihre Natur ihr vorgesteckte Stationen) durchwandert – eben in Richtung Selbsterkenntnis. Man sieht im Folgenden einige von der Seele bereits durchwanderte Träger, die wir allerdings nicht als seelenlos bezeichnen werden. All diese Ausführungen werden an späterer Stelle immens wichtig für die implosive Struktur des unbarmherzigen Witzes und treten auch in Kontakt mit dem Freudschen Konzept der drei Ersparnisse und Bergsons Theorie der Komik als Verdinglichung.
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Dem natürlichen Bewusstsein auf dem Weg zum Wissen droht Verlust, denn es verliert auf diesem Wege seine Wahrheit. Das ist klar. Dieser Weg kann daher als Weg des Zweifels oder Weg der Verzweiflung angesehen werden. Hier sind wir wieder. Und der Weg ist lang, sehr lang. Ja, Mister Sterne, das ist er. Und stakt aus ihm ein Docht hinaus? Vorne sowie hinten? Es sieht nicht so aus.

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An der rechten Seite ist dieser Weg der Verzweiflung bereits mit einem hereinlugenden Hobbyhorse ausgestattet. Ja.

Warum spricht Hegel nicht vom Zweifel, sondern von Verzweiflung? Weil es nicht beim Rütteln an dieser oder jener vermeintlichen Wahrheit bleibt, die daraufhin umso stabiler zu stehen käme. Bezogen auf den Witz, läse sich dies so: Eine Spielart des ideologischen Witzes bringt die idiotische Belustigung über das Fremde hervor und dient damit der Zementierung des Gegebenen, wobei man nur deswegen ein wenig am Eigenen herumwackelt, um dann die eigene Ideologie umso sicherer fundiert zu sehen. Wir halten demgegenüber Strukturen für überlegen, die einem das Eigene als befremdlich vorführen – der Weg der Verzweiflung eben. Denn es liegt auf diesem Weg, und hiermit kehren wir zu Hegel zurück, die bewusste Einsicht in die Unwahrheit des erscheinenden Wissens, dem dasjenige das Reellste ist, was in Wahrheit vielmehr nur der NICHT REALISIERTE Begriff ist.

Dort allerdings ist kein Einrichten. Denn sobald Zeit sich in ihm speichert, ruft er (der Begriff) erneut nach Überwindung – DOCH überwinde ich Nichtrealisiertes mit Ebensolchem (also ebensowenig Realisiertem) ist mein Gehen auf dem Weg der Verzweiflung ein Taumeln, das nicht einmal die Zuordnung “Idiotisch” verdient – und warum? Weil es beim  Eigenen nicht einmal ankommt.

OHO: Was verdient denn den Namen IDIOTISCH?

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“Sicher, es gibt den massiven Diskurs über romantische Ironie, aber das ist etwas völlig anderes – in der Ironie, um es kurz zu halten, geht es darum, schlau zu sein, während es in der Komödie darum geht, ein Idiot zu sein, und sollte einem die Wahl gelassen werden, sollte man sich immer für den Idioten entscheiden; aber noch einmal: man hat nicht die Wahl, der Idiot ist eben nicht, was man sich aussucht zu sein, und darin liegt die ganze Komödie der Sache.” (3)

Halten wir also fest: Auf dieser langen und gewundenen Strecke, die gleichsam als desorientierter, aber deswegen schließlich nicht blinder Erzählstrang die unterschiedlichsten Gegenden auslotet, liegt auch der selbstverfremdende Witz, der jedem anderen vorzuziehen ist. Das Tempo wird nicht gehalten. Es jagt. Es stockt. Die Kerze brennt an einem Ende eigenartigerweise viel schneller. Ach. Als an dem anderen. Ach.

EIN WEITERES SICHERLICH SEHR WICHTIGES Ding am Rande des Wegs – ist das Ding. Sowohl Band I wie Band II des TRISTRAM SHANDY ist ein Spruch Epitktets vorangestellt: Nicht die Dinge (pragmata) selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Ansichten (dogmata) über die Dinge.

Und die vorsichtige Frage, ob es die Dinge ohne die Ansichten über die Dinge denn gebe, führt sofort: Zum Ding an sich. So schnell kann das gehen, wenn eine Frage an beiden Enden brennt.

Sie sehen in der folgenden Darstellung nun nicht das Ding an sich, sondern zwei universelle Stellvertreter für Dinge aller Art, und, ganz rechts, rot überhöht, die Ansichten über die Dinge.

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Allein als Gegenstand ihrer Hobby-Hypothesen, sind Toby und Tristram in der Lage die Welt wahrzunehmen. Also quasi dogmatisch, oder besser gesagt: prismatisch dogmatisch, aufgesplittert in alles Mögliche. Je mehr diese Betrachtungen sich aufeinanderschichten, Schotterweg, erinnern Sie den Schotterweg, der ganz am Anfang lag, desto mehr Aufmerksamkeit schenkt sich selbst, wie von alleine, in einem unbeachteten Moment, den stummen Dingen dahinter, darunter, daneben.

Man lobt Laurence Sterne für seinen abwegigen Humor. Man lobt seine Abwege. Man überblättert sie allerdings auch. (Ich zumindest, immer mal wieder.) Welcher Art ist die Abkürzung? Stellen wir uns dies für einen Moment als 3D-Animation vor. Lässt jemand die Sprossenleiter hinunter? Oder wirft sich hinein in den mäandernden Fluss, statt immer weiter an seinen einmäanderten Weideflächen entlang zu gehen? Oder wir bohren ein Loch, graben einen Tunnel und kommen 300 Seiten später wieder heraus. Wäre das die Pointe – sich selbst den Weg der Verzweiflung mittels einer anderen Dimension des Bewusstseins abzuschneiden? Und würde sich, angesichts dieser Ersparnis, Komik entäußern, sich eine oder einer vor Lachen schier ausschütten wollen?

JOKES TEAR HOLES, bestimmt der britische Philosoph Simon Critchley, Witze reißen oder bohren?, Löcher into – in our usual predictions about the empirical world, in unsere üblichen Voraussagen bezüglich der empirischen Welt. (4) Ich denke an Tunnelräuber und geknackte Safes.

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Hierzu: die Nasennebenhöhlen des Priesters. Der Nase wird großer Raum und viel erzählerische Mühe gewidmet – als Teil des prototypisch als grotesk vorgestellten Körpers im (oder am) Tristram – womöglich angeregt durch Sternes Rabelais-Lektüre. Und am oberen Bildrand sehen Sie diverse Löcher, insgesamt sieben, die der Witz in die übliche Erwartung hineingebohrt hat. Etwas entweicht. Das sind sozusagen: Repräsentationsschäden, oh, ich höre gerade aus der Regie, es gibt eine weitere ganz und gar freigestellte Abbildung der Nase als Teil des grotesken Körpers.

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Also, das sind Repräsentationsschäden, etwa im Sinne von Straßenschäden, zwischen Erwartung und Tatsachenerfahrung,  – und immer wieder durch Hypothesen erhellt oder getrübt. Diese Schäden werden holpernd deutlich – ein ruckelt das gesamte Geschehen, wo auch nur eine einzige Repräsentation ausfällt oder beschädigt ist. Wo Hitze und Kälte sehr schnell wechseln, ist die Repräsentation außerordentlich gefährdet.

Diese mangelhaften Repräsentationen generieren dennoch irgendwas … … … … den Teufel würden wir tun, das hier festzulegen, bestenfalls etwa so: im Sinne des Witzes vom zombierten Hasen, zackbumm.

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Draußen bringt eine hartnäckige skandinavische Kaltfront beständig eisige Luft zu mir. Es schneit mitten in den Frühling hinein. Hierzu passt ein WITTERUNGSBEDINGTER Zwischenstopp: Was Menschen warum komisch finden, beschäftigt sie schon lange. Eine alte These (Plato, Aristoteles, Quintilian) setzt dem Lachen einen vor allem herablassenden Impuls voraus. Etwas später tritt hinzu: das erleichternde, spannungsabbauende Lachen, eine These die sich bis hin zu Freuds Ersparnis-Theorie erstreckt, die das Zentrum des Buches “Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten” bildet. Sie erinnern sich?

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Das sind die drei Ersparnisse, die nach Freud für die Witzlust sorgen: Ersparter Hemmungsaufwand, ersparter Vorstellungsbesetzungsaufwand und ersparter Gefühlsaufwand. Von rechts nach links.

Einen kurzen Exkurs möge man mir gestatten: Sehr gut gefällt Freud in seinem Witzbuch die Figur des Roten Fadians, auf die er mehr als zehn Mal zu sprechen kommt, hier:

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ABB. ROTER FADIAN – Der könnte, wenn er nicht so verwickelt wäre, durchaus dem Tristram Shandy entnommen sein: den roten Faden herausziehen, dann auf eine Nadel fädeln und, ach die schöne Stickerei! Doch der Witz habe eine kurze Seele, konzediert Freud und wenn man es zudem noch mit feinen Witzen zu tun habe, müsse man die schon zusammentun und häufen, schichten, stapeln – damit sie so vermehrt an Stärke gewinnen. Eine besondere Beachtung soll an dieser Stelle den Klangwitzen gelten, im Hinterkopf haben wir hier Jean Pauls Anmerkungen zur assonantischen Reihung bei Sterne – die Wand-Nachbarschaften des Reimes, wie er sie so schön zu nennen pflegt.

“In einer Gruppe dieser Witze (den Wortspielen) bestand die Technik darin, unsere psychische Einstellung auf den Wortklang anstatt auf den Sinn des Wortes zu richten, die (akustische) Wortvorstellung selbst an Stelle ihrer durch Relationen zu den Dingvorstellungen gegebenen Bedeutung treten zu lassen. Wir dürfen wirklich vermuten, dass damit eine große Erleichterung der psychischen Arbeit gegeben ist, und dass wir uns bei der ernsthaften Verwendung der Worte durch eine gewisse Anstrengung von diesem bequemen Verfahren abhalten müssen.” Bemerken Sie: Das bequeme Verfahren der Assoziation durch Klang, der rein klanglichen Verwendung, des albernen spielerischen Zugriffs auf das Wortmaterial mit ausschließlicher Berücksichtung seines Klanges. Freud bekräftigt diese These indem er klinische Zustände anführt, in denen tatsächlich die Wortklangvorstellung die Wortbedeutung dominiert, so dass diese Reden “nach den ‘äußeren’ anstatt nach den ‘inneren’ Assoziationen der Wortvorstellung (..) fortschreiten.” (5)

Nicht zuletzt ist dies ein poetisches Verfahren, dessen Vergnügen, laut Freud, auf die Ersparnis von psychischem Aufwand zurückzuführen sei. Als sei der Klang dem Wort äußerlich und, ohne mich groß zu scheren, gleite ich Klangähnlichkeiten suchend, lässig an seiner Oberfläche entlang – doch sind nicht die semantischen Ähnlichkeiten beinah noch tiefer verschraubt und daher eigentlich leichter zu bespielen? Herrscht denn am Ende sowie am Anfang ein seliges Brabbeln? Eine Antwort steht aus, aber ich hoffe, dass der Witz, wenn er uns weiter vorausläuft, irgendwann einen erstaunlichen Aussichtspunkt erreichen wird. Könnte es nicht auch eine Empathie der Klangähnlichkeit geben? Jenseits des Sinns, der in jeder Verkleidung kommt? Eine Art von Drag-, oder Camp-Mitleid (backstage of intimacy) – müsste das sein, dazu später mehr, ihr armen verwirrten Wesen ohne Fell.

Halten wir also fest: Viele Strukturprinzipien des Unbewussten sowie des Gedichtes sowie der Sucht treten genauso als Merkmale des Witzes auf. Darauf einen submarinen roten Fadian.

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Der angekündigte dritte Teil des witterungsbedingten Zwischenstops gilt mit Kant dem INKONGRUENZ-anerkennenden Lachen.

“Es muss in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann). Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts”, schreibt Immanuel Kant in der Kritik der Urteilskraft. (6) Wir fragen uns: Wenn etwas in Nichts aufgeht – ist das dann Ersparnis? Ist dies nicht vielmehr Vernichtung? Hier zeigt sich sehr dringlich, dass eine Phänomenologie der Haydn-Disko schmerzlich fehlt, und darüber hinaus: geschrieben oder getanzt oder sonstwie erinnerlich gemacht werden muss, denn “Haydn, einer der größten Komponisten, hat durch die Gestaltung seiner Finali die Nichtigkeit der Dynamik, durch welche sie sich objektivieren, paradigmatisch dem Kunstwerk zugeeignet”. (7)

Man beachte also erneut das prominente Auftreten der Nichtigkeit als Ziel des Witzes. Nun, das war interessant. Es führt uns zwar nicht unbedingt näher an Tristram Shandy heran, aber das liegt ausnahmsweise in der Natur der Sache, die Sie hier abgebildet finden. Ich denke gerade an die winzige Pension “Strawberry Fields” in Brighton, und wie hoch der Horizont war, wie irre hoch, als hinderte ihn etwas daran, abzufließen und an den kurzen Weg ans Meer und, wider Erwarten, wie warm das Meer war und wie abschüssig! Ah. (11)

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“Der Humor als das umgekehrt Erhabene vernichtet nicht das Einzelne, sondern das Endliche durch den Kontrast mit der Idee”, schreibt Jean Paul in dem Kapitel “Humoristische Totalität”, auf das in der “Vorschule der Ästhetik” das Kapitel “Die vernichtende oder unendliche Idee des Humors” folgt. (8) Auf der inzwischen obenstehenden Abbildung sehen Sie im Hintergrund also die stampfend herabgekommene monströse Natur der Sache, im Vordergrund aber das Schlachtfeld zombierter Hase. Vielleicht möchten Sie sich den so exaltiert hohen Meeresspiegel in Brighton dazu vorstellen, bitte.

Jean Paul bringt den Zusammenhang zwischen Erwartung und ihrer Nichtigkeit als eine Form der Ersparnis, mit welcher der Witz die Seinen ästhetisch begabt oder auch: betäubt, folgendermaßen auf den Punkt: “Wie Gott einen Endlichen mit Licht betäubt und niederschlägt, so tut es der Humor, indem er den Verstand verlässt, um vor der Idee fromm niederzufallen”. ZACKBUMM. Hier flattert sie auf, die Freude an Widersprüchen und Unmöglichkeiten.

“Daher kennt der Humor jene Liebe zum leersten Ausgange”, (..) wenn “Sterne mehrmals lange und erwägend über gewisse Begebenheiten (spricht), bis er endlich entscheidet: es sei ohnehin kein Wort davon wahr.” (9)

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That is to say, through the endless displacement of seeing the world through another’s hobby horse, through the eyes of a Walter or a Toby Shandy, one is brought closer to the things themselves, to the finally laughable enigma of ordinary life“, schreibt Simon Critchley. (10) Durch die endlosen Verschiebungen, die sich der Weltbetrachtung durch den Filter persönlicher Obsessionen verdanken, gerät der Leser, die Leserin schließlich näher an die Dinge selbst (oder: ‘an sich’, gar) heran; er oder sie nähert sich dem letztlich lachhaften Rätsel des gewöhnlichen Lebens. Hierzu ein blühendes Steckenpferd in Tintenblau.

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Er versöhne zwei gegensätzliche Bewegungen, bemerkt Sterne in einem berühmt gewordenen Selbstzeugnis, sein Werk sei abweichend und voranschreitend zur gleichen Zeit, das heißt: evasiv UND progressiv. Dies hat freilich auchnhaltliche Wechsel zurfolge, auch was das ganz zu Anfang erwähnte Gefälle sowie die Verstiegenheit angeht.

Nach jeder pathetischen Anspannung, so Jean Paul in seinem Kapitel: “Die vernichtende oder unendliche Idee des Humors”, gelüste der Mensch ordentlich nach einer humoristischen Abspannung;  “aber da keine Empfindung ihr Widerspiel, sondern nur ihre Abstufung begehren kann: so muss in dem Scherze, den das Pathos aufsucht, noch ein herabführender Ernst sein” – und wo hinab führt dieser Ernst: Zum BATHOS.

Wir stellten bereits fest: SUCHT, WITZ und GEDICHT teilen zuweilen eine gewisse Methodik – die besteht sehr grob gesagt im Vollzug einer Praxis, die Erwartungen enttäuscht. Diese Enttäuschung sei zudem laut Critchley der eigentliche Ausgangspunkt von Philosophie (12), und nicht das häufig an dieser Stelle genannte Staunen. Nun geht diese Enttäuschung oder Transformation auf unterschiedliche Weise von statten. Der jeweilige Impuls kommt also in vielerlei Gestalt. Einer davon trägt den Namen BATHOS und bezeichnet einen Umschlagpunkt, ein Kontrastmoment zwischen Höchstem und Niedrigsten – da, wo Pathos zu Bathos wird und alleine Bathos überdauert. “A performance absurdly below occasion”, definiert der Concise Oxford Dictionary – und fügt hinzu: der Sturz vom Erhabenen ins Lächerliche.

1727 publizierte Alexander Pope unter dem Titel “Peri Bathous, Or the Art of Sinking in Poetry” eine Schrift, die vordergründig Longinus’ epochale Abhandlung über das Erhabene parodierte – und deren eigentliches Ziel eine Kritik an der modernen Dichtung war. Pope bestimmte Bathos darin als gescheitertes Pathos. So erfand er den Begriff neu als Kampfbegriff – und bezweckte damit die Fundamentierung seiner Polemik gegen die Dichtung seiner Zeitgenossen, gegen ihre ungelenken, neoklassizistischen, zeitarmen Verse. Bathos selbst war Bezeichnung und Symptom zugleich – ein aus der Antike in das Englisch des 18. Jahrhundertes herabgesunkenes Wort. Keston Sutherland fügt hinzu: “Bathos is what we ‘arrive at’: not a fall, but what is fallen to; not sinking, but what is sunk to. It is not a fluctuation in value, a relative ‘growing mean’ within the circulation of values, but the absolute value fixed at the bottom.” (13)

Wir erinnern uns an die Begriffe, die an unserem Weg lagen: Ersparnis, Vernichtung, Inkongruenz, Enttäuschung und Überraschung – und stellen uns jetzt einen gut besuchten Jahrmarkt vor, genauer eines dieser hohen Fahrgeschäfte, den so genannten Freifallturm. Eine Kabine wird einen hohen Turm heraufgezogen und dann zum schrillen Vergnügen aller Passagiere am höchsten Punkt fallengelassen, bis sie am Fuß des Turmes mehr oder minder abrupt gebremst wird. Der Holiday Park in Hassloch zum Beispiel hat diese Attraktion unter dem Namen “Anubis Free Fall Tower” in seinem Programm. Dies sind Fahrgeschäfte, die den Weg von Pathos nach Bathos am eigenen Leib erfahrbar werden lassen.

Der Moment des plötzlichen Richtungswechsels wiederum ist Sache von ausgeklügeltem Timing, das Miteinander von Dauer und Augenblick, hierzu gehört auch das Ausspiel des Umständlichen. Wenn wir nun im Tristram Shandy einmal ganz schnell vorblättern, so fahren wir den Turm hinauf, der das ganze Buch ist. Wir erfahren nämlich zuletzt, dass es sich bei der ganzen Geschichte eigentlich um eine shaggy “a-cock-and-bull”-Story handele. Ob das nun bereits der tiefste Punkt gewesen sein wird?

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Wohl kaum. Denn das Ende, weiß Tristram genauso gut wie Sterne, ist nämlich generell immer möglich. “Ist’s nicht schändlich, zwei Kapitel aus dem Geschehen beim Hinabsteigen einer Treppe zu machen? denn weiter als bis zum ersten Treppenabsatz sind wir bis jetzt nicht gekommen, und es sind noch weitere fünfzehn Stufen nach ganz unten, und wer weiß, da mein Vater und mein Onkel in Plauderlaune sind, kanns leicht ebensoviel Kapitel als Stufen geben; wie dem auch sei, Sir, ändern kann ich’s so wenig wie mein Schicksal: – Da überkommt mich eine plötzliche Eingebung – lasst den Vorhang fallen, Shandy – ich lass ihn fallen – Mach hier einen Strich quer übers Papier, Tristram – ich mache ihn – und hepp, auf geht’s in eine neues Kapitel!” (14) So wechselt Sterne quick die Register, nimmt die Dinge in die Hand, die zuvor nur als Wort da waren, tauscht die Bilder aus, macht konkret was neblig in der Sprache lag, baut an und fährt mit uns über die vielen tausend Nebentrassen seiner narrativen Achterbahn. Eia.

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Aufgefordert die Abschweifungen und Umständlichkeiten wegzulassen, könne man das Buch gleich mit weggeben, beschwert sich Sterne, verteidigt sich Sterne, beschwert er sich. Verteidigt er sich. Beschwert. Verteidigt. Jaja. Die Zeit wird langgezogen, sie wird wie ein Gummiband überdehnt, um dann, im Moment der Pointe, wenn es gut geht – aber wohl genauso auch wenn es schlecht geht – zurückschnerren. So lässt sich ohne weiteres sagen: Tristram Shandy ist der längste kürzeste Witz der Welt. Und die Schnurre schnerrt zusammen. Es ist eine Geschichte, die von beiden Enden her erzählt wird – denn der Anfang ist nämlich nur vorgeblich der Beginn, wenn das Vorwort in der Mitte steht. Das ist klar.

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Und wenn ich eine Geschichten von beiden Enden her erzählen kann, kann ich auch eine Kerze an beiden Enden anzünden. Ich zitiere: “Es ist Jammer und Schade – aber, wie die tägliche Beobachtung lehrt, gewiss, dass der Mensch wie eine Kerze an beiden Enden angezündet werden kann – woferne nur ein hinlänglicher Docht hinaus steht; fehlt’s daran – so ist’s Essig damit, fehlt’s nicht daran – und steckt man ihn unten an, so hat die Flamme gemeiniglich das Pech, sich selbst auszulöschen – und dann ist’s aber mal Essig damit.”

Das pathetische Bild eines sich selbt verzehrenden leidenden oder leidenschaftlichen Lebens wird sofort konterkariert mit den “bathetischen” Besorgnissen, die dem Bild selbst entspringen. Denn man müsse diese Lebenskerze schließlich auch auf die rechte Art halten, damit das funktioniert, was offenbar nur tut als sei es Fatum. Und das ist Sterne noch nicht genug, er geht noch einen Schritt weiter, mitten in die körperliche Konkretion – er brennt sich vom Pathos ins Bathos herunter. Sehr zur hellen Freude der Vernunft.

“Wenn ich für meinen Teil verfügen könnte, auf welche Art ich verbrannt werden möchte – denn so bestialisch verbrennt zu werden, der Gedanke ist mir unerträglich – so würd’ ich eine Hausfrau allemal in die Pflicht nehmen, mir die Spitze zu entflammen; denn alsdann könnt ich hübsch ordentlich bis zur Tülle niederbrennen; nämlich, vom Kopfe zum Herzen, vom Herzen zur Leber, von der Leber zu den Eingeweiden und so fort durch die Gekrösnerven und –arterien, durch all die Windungen und Seitenschnitte der Gedärme und ihrer Häutchen bis zum Blinddarm – /// Hier folgt eine plötzliche Unterbrechung zur Erörterung der geschlechtsspezifischen Lage des Blinddarms – und sogleich das nächste Kapitel. (15)

Diese Herangehensweise des Bildes an sein leibliches Quellmaterial führt uns geradewegs hin zu den grotesken Körpern, die die zentrifugalen Erzählbewegungen des Tristram Shandy, quasi deren ausufernde Struktur reflektierend, bewohnen. Wie die menippische Satire die eigene Formlosigkeit begrüßt, begrüßt der groteske Körper feixend seine hyperbolische Deformierung. Eine große Bewunderung für Rabelais hatte Sterne. Sehen Sie hier als Amuse Gueule eine kleine Ansammlung diverser Nasen.

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Sehen Sie hier eine vereinzelte.

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Wir wissen, dass Hegel auf lange krypto-physiognomische Traditionen aufbauen konnte, als er die gerade griechische Nase lobte, die geradewegs aus der Stirn, also vergeistigt, die tierische Tätigkeit des Riechens adele. Bei Sterne entwickelt die spektakuläre Nase des Tristram ein Eigenleben, löst eine seltsame und nicht zuletzt auch deutlich sexuelle Euphorie aus, der ganze Städte samt ihrer frommen Einwohnerschaft zum Opfer fallen.

Angesichts dieser Art von NASE wird die APOTHEOSE (oder eher: Apocolocyntosis – Verkürbissung statt Vergöttlichung) des KÖRPERS zum grotesken Körper (gegen die Normübererfüllung des versklavten Körpers) anschaulich.

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“… Als Teile des Gesichts spielen in der grotesken Körperkonzeption nur MUND und NASE eine wesentliche Rolle. Kopfform, Ohren … erhalten erst dadurch grotesken Charakter, dass sie tierische Formen oder die Form irgendwelcher Gegenstände annehmen. Die Augen dagegen besitzen überhaupt keine Bedeutung. Sie drücken das individuelle und sozusagen innere Leben des Menschen aus, das für das Groteske irrelevant ist. Die Groteske interessiert sich allenfalls für die vorstehenden Augen; … für sie ist alles interessant, was hervorspringt, vom Körper absteht, alle Auswüchse und Verzweigungen, alles, was über die Körpergrenzen hinausstrebt und den Körpern mit anderen Körpern oder der Außenwelt verbindet. … Der groteske Körper ist … ein werdender. Er ist nie fertig und abgeschlossen, er ist immer im Entstehen begriffen und erzeugt sich selbst stets einen weiteren Körper, er verschlingt die Welt und läßt sich von ihr verschlingen.” (16)

So oder so ähnlich scheint es auch mit dem Sterne’schen Roman als Super-Organismus seiner zuweilen grotesken Erzählstränge zu sein. Auch er ist ein werdender, der immer im Entstehen begriffen ist – und ein Erzählwerk, dem das kuriose Kunststück gelingt, eine Kerze an beiden Enden anzuzünden, eine Geschichte von beiden Enden her zu erzählen und unendlich lange brennen zu lassen. Brennen zu lassen. Brennen zu lassen. Brennen zu lassen.

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 (1) Keston Sutherland: Wrong Poetry, in: Stupefaction. A Radical Anatomy of Phantoms. London 2011. Seite 148

(2) Hegel: Vorrede, in Phänomenologie des Geistes. Frankfurt am Main 1970. Seite 72 Hier ist die gesamte Passage: “Er kann deswegen als Weg des ZWEIFELS angesehen werden oder eigentlicher als der Weg der Verzweiflung; auf ihm geschieht nämlich nicht das, was unter Zweifeln verstanden zu werden pflegt, ein Rütteln an dieser und jener vermeintlichen Wahrheit, auf welches ein gehöriges Wiederverschwinden des Zweifels und eine Rückkehr zu jener Wahrheit erfolgt, so dass man Ende die Sache genommen wird wie vorher. Sondern er ist die bewusste Einsicht in die Unwahrheit des erscheinenden Wissens, dem dasjenige das Reellste ist, was in Wahrheit vielmehr noch der nicht realisierte Begriff ist.”

(3) Mladen Dolar: Die Komödie und ihr Double, in: Schluss mit der Komödie, hg. von Robert Pfaller. Wien 2005. Seite 41f.

(4) Simon Critchley: On Humour. London 2002. Seite 1

(5) Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Frankfurt 1961. Seite 97

(6) Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Erster Teil, 1. Abschnitt, 2. Buch. Stuttgart 1963. Seite 276

(7) T.W. Adorno: Ästhetische Theorie. Frankfurt am Main 1973. Seite 332.

(8) Jean Paul: Vorschule der Ästhetik. Hamburg 1990. Seite 125.

(9) Jean Paul: Vorschule der Ästhetik. Hamburg 1990. Seite 132

(10) Simon Critchley: On Humour. London 2002. Seite 22.

(11) strawberry-fields-hotel.com. 6-7 New Steine in Brighton BN2 1PB.

(12) Simon Critchley: Unendlich fordernd. Ethik der Verpflichtung, Politik des Widerstandes. Zürich, Berlin 2008.

(13) Keston Sutherland: Wrong Poetry, in: Stupefaction. A Radical Anatomy of Phantoms. London 2011. Seite 176

(14) Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Übersetzt und herausgegeben von Michael Walther. Berlin 2006. Seite 327

(15) Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Übersetzt und herausgegeben von Michael Walther. Berlin 2006. Seite 635f

(16) Michail Bachtin: Rabelais und seine Welt. Übersetzt von Gabriele Leupold. Frankfurt  am Main 1995, Seite 358

(Monika Rinck)

DIE LIEDERTAFEL

TRISTRAMPEDIA I!

Shandyism-Liedertafel
mit Peter Ablinger, Monika Rinck, Beide (beide?) Messies u.a.

Dienstag, 19. März

20.30 Uhr Villa Elisabeth, Invalidenstraße 3 –
Performance Lecture mit Peter Ablinger und dem Chor der Sing-Akademie

ab 22 Uhr – open end
DIE LIEDERTAFEL ab sofort im AckerStadtPalast, Ackerstr. 169/170
Mit Wein und Käse und Gesang und einem Vortrag von Monika Rinck: “Das Alberne hat Glück”:

“Wann gelingt Denken? Woher kommt das Neue? Wir kennen das Unterbestimmte, das Grobe, das Panische, das Angespannte, das Alberne, das Amorphe, das Semiotische, das Überangestrengte, das Mimetische, das Poetische, das Idiotische, das Eigene und so weiter. Es sind formlose, noch nicht denkbare Figuren, wie die Vorstellung von Wortsinn ohne Klang, oder die Kontur eines noch inhaltsleeren Gedankens. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Neue, um ans zu Licht zu kommen, einen dunklen Korridor der Dummheit durchqueren muss. Das ist der einzige Weg – und Tania war wie verwandelt in eine aufpumpbare Tennishalle, vor Vorfreude schivernd, so erfand man in der Antike das Latex. Den Latex. Nein, das. Sind Sie der Baugrund?, siezte ein Glas Milch seine Ex – und die Situation kippte.*

*Latex meint hier: Ein Glas bis zum Rand mit Milch zu füllen und es auf einmal, also ohne abzusetzen, auszutrinken. Das ist optimal. Der Super-Palmölwitz: Palmöl-Invest ab 7.500 €. Garantierte Rendite von 9 % p.a. + Laufzeit 10 Jahre + Auszahlungen bereits im 1. Jahr.

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.. .. Augenkanonade .. ..

“Mit Schaudern lässt Burton [Autor der Anatomy of Melancholie] Ficinius mit seinem Platon-Kommentar zu Wort kommen: “Mortal Men are then especially bewitched, whenas by often gazing one on the other they direct sight to sight, join eye to eye, and so drink and suck in love between them; for the beginning of the disease is the eye.” Ebenfalls Ficinius entlehnt ist Burtons Vermutung, dass die Augen – wohl etwa in der Funktionsweise giftspritzender Schlangenaugen oder fleischfressender Pflanzen – Strahlen spiritueller Dämpfe ausstoßen, die den Getroffenen augenblicks infizieren, ein Präparieren und Vorverdauen des Opfers, ehe es den Hexen endgültig anheimfällt. Onkel Toby in Sternes “TRISTRAM SHANDY” wird auf diese Weise – durch eine Augenkanonade – von der Witwe Wadman erlegt.”

Aus: Das gefräßige Auge oder: Ikonophagie. Aufsatz von Gert Mattenklott in ders.: Der übersinnliche Leib.

… ein ausuferndes Weitermachen …

“Es beginnt ein ausuferndes Weitermachen, wie wir es schon bei Laurence Sterne (1713 bis 1768) finden. Die vom Autor des Tristram Shandy eingeführte ästhetische Praxis der Digression bereitet zwangsläufig den Boden für die Albernheit, da mit dem unkontrollierten Weiterspinnen einmal aufgeworfener Gedanken der Sinn mehr und mehr an Tragfähigkeit verliert, ohne allerdings gleich Unsinn werden zu müssen, der der Albernheit natürlich durchaus nahesteht, doch feinmechanisch ihr Ende bedeuten kann. Albernheit ist die fragile Balance an den Nahtstellen des Sinns.”

Aus: A – Albernheit. Von Michael Glasmeier und Lisa Steib. Hamburg 2011. Ein sehr sehr empfehlenswertes Buch!

 

 

 

“””Digression (parekbasis in Greek, egressio, digressio and excursion in Latin) is a section of a composition or speech that is an intentional change of subject. In Classical rhetoric since Corax of Syracuse, especially in Institutio Oratoria of Quintilian, the digression was a regular part of any oration or composition.””” (WIKI)

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“… Als Teile des Gesichts spielen in der grotesken Körperkonzeption nur MUND und NASE eine wesentliche Rolle. Kopfform, Ohren … erhalten erst dadurch grotesken Charakter, dass sie tierische Formen oder die Form irgendwelcher Gegenstände annehmen. Die Augen dagegen besitzen überhaupt keine Bedeutung. Sie drücken das individuelle und sozusagen innere Leben des Menschen aus, das für das Groteske irrelevant ist.  Die Groteske interessiert sich allenfalls für die vorstehenden Augen; … für sie ist alles interessant, was hervorspringt, vom Körper absteht, alle Auswüchse und Verzweigungen, alles, was über die Körpergrenzen hinausstrebt und den Körpern mit anderen Körpern oder der Außenwelt verbindet. … Der groteske Körper ist … ein werdender. Er ist nie fertig und abgeschlossen, er ist immer im Entstehen begriffen und erzeugt sich selbst stets einen weiteren Körper, er verschlingt die Welt und läßt sich von ihr verschlingen.”

Michail Bachtin: Rabelais und seine Welt. Übersetzt von Gabriele Leupold. Setie 358

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“Ptr..r..r..ing – twing – twäng – pröt – tröt – eine hundsmiserable Fiedel. — Sagt mir’s doch, ist meine Fiedel gestimmt oder ist sie’s nicht? — tröt..pröt.. – Das sollten Quinten sein. — Erbärmliche Saiten – tr…a.e.i.o.u. – twäng. – diddel diddel Der Steg ist eine Meile zu hoch und der Stimmstock bodenlos, — sonst – tröt..pröt – horcht! gar kein so übler Ton. – Diddel diddel, diddel diddel, diddel diddel, dum.”

BD V. KAP. XV. Üs. von M. Walter

"Die Fiedel"
“Die Fiedel”